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Wieviel Design muss sein?
Welche Bedeutung hat Design für uns und unsere Gesellschaft?
Ist Design nur ein Schmiermittel für unseren Konsum und Ausdruck der jeweils aktuellen Mode? Dient es nur der „Verkleidung“ überflüssiger Waren, um sie begehrenswert erscheinen zu lassen? Oder ist und kann Design mehr? Und welche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ergibt sich daraus für den Designer?
Design steht laut Duden für „Plan, Entwurf, Muster, Modell“, im Deutschen wird darunter oft nur der gestalterische Entwurf für die industrielle Produktion verstanden. Schon im Englischen wird der Begriff jedoch weiter gefasst. Im Folgenden soll Design als die gezielte Gestaltung von Elementen unserer Umwelt verstanden werden. Dementsprechend gehören neben Grafik-, Produkt-, und Modedesign auch Innenarchitektur, Architektur, freie Kunst und Kunsthandwerk dazu. Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen, das bekannte Beuys-Zitat anpassen und behaupten: „Jeder Mensch ist ein Designer.“ Jeder gestaltet sein Umfeld, ob durch die Anordnung von Objekten, die Ausgestaltung seiner Wohnung oder das Basteln von nützlichen oder scheinbar überflüssigen Dingen. Selbst wer Design nicht so weit fassen möchte, weiß, dass die Übergänge zwischen den verschiedenen Gestaltungsbereichen fließend sind und ähnliche, wenn nicht gleiche Regeln gelten. Design ist nicht alles, beeinflusst aber alles. Für die Gestaltung eines Objekts macht es letztlich keinen Unterschied, ob es ein-, zehn- oder tausendmal produziert wird. Höchstens, dass wir aufgrund einer höheren Produktionsrate einem Objekt, z.B. einem Stuhl, viel stärker ausgesetzt sind und unser Umfeld großflächiger dadurch beeinflusst wird. Der Gestaltung eines solchen Produktes sollte entsprechend eine noch größere Sorgfalt zukommen als einem Einzelobjekt – leider ist dies häufig nicht der Fall.
Aufbauend auf der Erkenntnis, dass unsere Umwelt von uns designt wird, wir aber ebenso ein Produkt unserer Umwelt sind – wenn auch nicht ausschließlich der dinglichen – wird klar, dass die Bedeutung von Design nicht überschätzt werden kann. Design verändert die Welt! Es geht dabei nicht um die Schaffung schicker, trendiger Dinge, sondern um die Weiterentwicklung, die Verbesserung unserer Welt – in funktionaler, ästhetischer oder ideeller Hinsicht.
Design ist Ausdruck von Kultur, also dem, was den Menschen als solchen auszeichnet. Es zeigt den Entwicklungsstand einer Gesellschaft, beeinflusst aber auch den kulturellen Entwicklungsprozess. Meist wird der Einfluss von Design unterschätzt, so dass der Bereich einigen Fachleuten und einer eingeschworenen, oft selbsterklärten Elite überlassen wird. Dabei haben schon totalitäre Systeme wie das Dritte Reich oder die Sowjetunion die Möglichkeiten des Design erkannt und versucht die Umwelt der Menschen durchzugestalten, um im Gegenzug den Menschen selbst dadurch zu „formen“. Über einheitliche Architektur, spezifische Schriftarten, propagandistische Plakate, Uniformen bis in den zivilen Bereich, Gebrauchsprodukte sowie der Ideologie angepasste Kunstwerke wurde die Gleichschaltung des Menschen forciert. Auch in liberalen Gesellschaften wird Design zur Manipulation der Bevölkerung eingesetzt, wenn auch nicht so einheitlich und spartenübergreifend. Man denke nur an die Kriegspropaganda der Vereinigten Staaten von Amerika in Form von Rekrutierungsplakaten, Captain-America-Comics, und ideologisch angepassten Disney-Filmen. Diese Beispiele zeigen welchen Einfluss der Designer auf die Gesellschaft haben kann. Er muss sich wohl überlegen, wie und wofür er seine Fähigkeiten einsetzt. Verweigerung ist dabei nicht, wie Michael Suckow behauptet „die einzige Option direkt ethisch relevanten Handelns als Designer“ und führt auch nicht dazu, dass er aufhört Designer zu sein. Ein Designer wird nicht durch seine Käuflichkeit, sondern durch seine Gestaltung definiert. Eher muss man sich fragen, ob ein Designer, der wahllos Aufträge – auch mit zweifelhaftem oder gar menschenverachtendem Hintergrund – annimmt, nicht eine andere Bezeichnung verdient. An den Beispielen totalitärer Systeme lässt sich erkennen, dass auch eine Auseinandersetzung des Rezipienten mit Design stattfinden muss, damit sich der Einzelne der unbestreitbaren Faszination prägnanter Symbole, schneidiger Uniformen und wuchtiger Architektur entziehen kann. Gesehenes wirkt teilweise unbewusst, kann aber leichter als z. B. Gehörtes, bewusst analysiert und hinterfragt werden. Voraussetzung dafür ist eine intellektuelle und moralische Basis. Erst dann können Vor-„Bilder“ wie heldenhaft kämpfende und tötende Soldaten, ob im Film, als Spielzeug, auf Plakaten oder in der Kunst, als falsch entlarvt werden. Erforderlich ist also eine kritische Hinführung zum Verständnis von Design, die sich nicht auf den beruflichen Ausbildungsbereich beschränken, sondern bereits in den Allgemeinbildenden Schulen stattfinden muss. Dies könnte zudem zur Bevorzugung anspruchsvollerer Gestaltung durch den Otto Normalverbraucher führen und würde elitäres Gehabe mit Designobjekten obsolet machen.
Die wohl bekanntesten Versuche spartenübergreifender Gestaltung mit dem Ziel das Leben aller Gesellschaftsschichten zu verbessern, finden sich im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts. Design sollte Teil einer „Lebensreform“ werden und durchdrang verschiedenste Gestaltungsbereiche. Dies führte zum Neuen Bauen/zur Neuen Sachlichkeit, zu Konstruktivismus und Suprematismus, zu De Stijl, zur Elementaren Typografie etc. Neben baushausinspirierten Grundkursen an vielen Design-Ausbildungsstätten blieb davon fast nur der funktionale Gestaltungsansatz ohne den ethischen Hintergrund erhalten. Doch gerade heutzutage, in Zeiten stetig expandierender Massenproduktion und einer unüberschaubaren digitalen sowie analogen Medienflut, hat Design einen stärkeren Einfluss denn je und erfordert verantwortungsvolles Handeln des professionellen Designers sowie kritischen Umgang des Rezipienten mit Design.
Von dem berufsmäßigen Gestalter erfordert gutes Design verantwortungsbewusstes Handeln. Das kann unser Leben bereichern und verbessern. Design muss sein!
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